Yasemin Örlü Köksal

Was bedeutet Heimat für dich?

Ich vergleiche das meistens mit Gefühlen. Dass die Sehnsucht nach der Türkei da ist, dass ich da hinmöchte, dass es da warm ist, dass es da schön ist. Nach meinem Abitur war ich länger dort, so zweieinhalb Monate. Als dann der Anruf von der Uni Münster kam, dass sie mich angenommen hatten, war ich so happy, dass ich wieder zurückkann und mein Leben in wieder die Hand nehmen kann. Das ist auch so ein Teil Freiheit. Überhaupt in dem Land klarkommen zu können. Ich bin ja nicht in der Türkei geboren. Ich spreche da die Sprache, aber kenne die Strukturen nicht so gut wie hier. Meine Heimat ist Ibbenbüren, weil ich hier alles kenne. Man kennt die Schulen, die Geschäfte, die Instanzen. 

Ich kenne auch Frauen, die keiner Arbeit nachgehen und meistens zu Hause sind. Für sie ist die Türkei oft noch die Heimat, nach der sie sich sehnen, um dort wieder ihr Leben zu haben. Ich würde sagen, Ibbenbüren ist meine Heimat, ich fühle mich hier sehr heimisch – bis irgendwas passiert. Bis ich diskriminiert werde auf der Straße, bis ich angemacht werde.

 In diesem Moment ist dieses ganze Gefühl von Heimat weg. Dann reagiere ich emotional, weil auf einmal diese heile Welt ineinander fällt. 

Wo fühlst du dich heimisch?

Wenn ich hier bin, zu Hause bin, in der Straße, wo ich wohne und in der Nähe meiner Eltern. Ich habe auch eine Zeit lang in Osnabrück gewohnt, mich da aber nicht richtig heimisch gefühlt. Ich denke, weil ich hier aufgewachsen bin und hier zur Schule gegangen bin. Hier ist man auch an die Mentalität der Menschen gewöhnt. Auch wenn Osnabrück nur 25 km entfernt ist, habe ich das Gefühl, die Menschen sind da ganz anders. 

Ich denke, ich fühle mich schon heimisch hier in Ibbenbüren. Ich fühle mich einfach gut hier, nur wenn ich zu lange hier bin, dann denke ich, ich habe Sehnsucht nach der Türkei. Und möchte dahin, wo mein Vater geboren ist und wo meine Mutter geboren ist. Man sehnt sich danach, aber wenn ich zu lange in der Türkei bin, ist die Sehnsucht nach Deutschland viel viel größer. Wir sind dann ja auch nicht als Touristen da, sondern müssen auch Dinge erledigen, wie z.B. Behördengänge. Die Strukturen führen dazu, dass man Deutschland viel viel mehr vermisst, als man eigentlich denkt. 

Ich habe auch eine Vorbildfunktion, weil ich es auch mit Kopftuch geschafft habe. 

Hängt Heimat mehr an Personen oder am Ort?

Heimat ist für mich manchmal auch, mit Menschen zusammen zu sein, die auch einen Migrationshintergrund haben. Mit denen versteht man sich auf Anhieb. Man hat eine gemeinsame Geschichte und man fühlt sich wohl. Die können auch den Kampf nachvollziehen, da hin zu kommen, wo ich jetzt bin. Das Studium zu beenden. Die Schullaufbahn. Man wird ja immer direkt in eine Schublade gesteckt. Eine Person, die das auch so erlebt hat, die versteht mich ja. Es gibt immer noch viele Vorurteile. Ich musste mich rechtfertigen, warum ich beim Jobcenter eingestellt worden bin mit Kopftuch

Wird es einer Frau muslimischen Glaubens mit Kopftuch leicht gemacht, sich  in Steinfurt heimisch zu fühlen? 

Ich denke schon, dass sich viele hier wohl fühlen. Es ist schon wichtig, dass man die richtigen Ansprechpartner hat. Wenn man direkt am Anfang den falschen Personen begegnet, kann das ein Handicap sein. Viele Frauen in der Beratung, die ein Kopftuch tragen, finden keinen Job. Das liegt auch daran, dass die Männer bevorzugt werden. Ihnen sieht man nicht sofort an, dass sie Muslime sind. Es wäre besser, wenn Frauen mit Kopftüchern oder auch mit Kindern mehr Platz in der Öffentlichkeit gegeben würde – nicht mit Maßnahmen, zum Beispiel einfach mit einem Job in der Bäckerei. 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte prüfen Sie die Details und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.